Preisverleihung: DER FAUST 2022, v.l. Boris  Kehrmann, Walter Sutcliffe
© Markus Nass

Verleihung des FAUST-Perspektivpreises an die Oper Halle

Die Oper Halle hat »für die Inszenierung »Manru« und ihr politisch-interdisziplinäres Rahmenprogramm« (Jury-Begründung) am 26. November 2022 im Düsseldorfer Schauspielhaus den FAUST-Perspektivpreis erhalten.

Der Deutsche Theaterpreis DER FAUST wird von Theaterschaffenden für Theaterschaffende gestiftet und seit 2006 jährlich vom Deutschen Bühnenverein in Kooperation mit den Bundesländern, der Kulturstiftung der Länder und der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste verliehen. Er wird 2022 erstmals in zwölf Kategorien vergeben. Zusätzlich kann ein Preis für ein Lebenswerk sowie ein Perspektivpreis für zukunftsweisende künstlerische oder kulturpolitische Projekte verliehen werden. Dieser Perspektivpreis geht in diesem Jahr nach Halle.

Jury-Begründung
Das »Manru«-Projekt der Oper Halle wurde dem FAUST-Preisgremium vom Land Sachsen-Anhalt vorgeschlagen. Die fünfköpfige Jury begründete ihre Entscheidung wie folgt: »Die Oper „Manru“ des polnische Komponisten Ignacy Jan Paderewski wurde am 29. Mai 1901 in der Semperoper Dresden uraufgeführt und an der Oper Halle am 19. März 2022 erstmals wieder in Deutschland in deutscher Originalsprache aufgeführt. Regie führte bei der Geschichte über das zerstörerische Zusammenleben ethnisch diverser Gruppen in einem Land Katharina Kastening. In Zusammenarbeit mit u.a. Museen, Universitäten, Festivals und Jugendeinrichtungen entwickelte die Oper Halle ein umfangreiches Rahmenprogramm, das die politischen Inhalte der Oper auch über die Grenzen des Theaters hinaus vermittelt und an verschiedene Zielgruppen heranträgt. […] Die Produktion in Halle ist ein gelungenes Beispiel dafür, eine Opernproduktion im Zentrum aktueller politischer und gesellschaftlicher Zusammenhänge zu interpretieren und zu vermitteln. Vor dem Hintergrund des rassistisch motivierten Anschlags auf die Synagoge in Halle 2019 tritt die aktuelle politische Dimension des Werks, das zeigt wie rassistische Vorurteile die Menschen moralisch und existenziell zerstören, deutlich in den Fokus und der Zuschauerraum wird zum Ort des gesellschaftlichen Diskurses und der Imagination einer anderen Welt. Die Produktion dokumentiert damit in besonderer Weise die gesellschaftliche Relevanz der darstellenden Künste als Impulsgeber für gesellschaftliche Transformationsprozesse.«

Wir freuen uns über DEN FAUST.
© Anna Kolata

Dank der Leitung der Oper Halle
Wir freuen uns riesig über den Faust-Preis, der damit nach dem für Sebastian Hannaks Raumbühne Heterotopia 2017 zum zweiten Male an die Oper Halle geht, und zwar schon im ersten Jahr der nachfolgenden Intendanz Walter Sutcliffes und seines Teams.

Dieser Preis ist eine wichtige Anerkennung für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses, der sie stolz macht auf ihren Arbeitsplatz und sie anspornt, noch mehr zu geben. Und er ist wichtig für die wunderschöne Stadt Halle (Saale).

Wir lieben diese Stadt. Sie hat eine unglaublich lebendige, sprudelnde, diverse Gesellschaft mit vielen unterschiedlichen Milieus und Kulturen. Wir wollen sie alle in der Oper haben. Darum spielen wir Stücke, die wir für relevant halten, die uns wichtige Geschichten erzählen wie »Manru«, und wir gehen in die Stadt hinein, um die Menschen zu interessieren. Die vielen Milieus dieser Universitätsstadt, in der z.B. sechs der weltweit meist zitierten Forscher*innen lehren, haben unterschiedliche Gruppensprachen, unterschiedliche Interessen und unterschiedliche Orte, wo sie zusammenkommen. Wir gehen an diese Orte, hören den Menschen zu, schauen, welche Themen unserer Stücke sie interessieren könnten und sprechen ihre Sprache. Oper ist ein Schatz. Wir drängen ihn niemandem auf, aber wir wollen ihn jedem und jeder zeigen. Und zwar auf seinen vielen verschiedenen Ebenen. In der Tiefe und in der Breite. Oper ist ein Fest.

Wir bedanken uns bei der Jury des FAUST-Perspektivpreises sowie beim Land Sachsen-Anhalt, das uns für den Perspektivpreis vorgeschlagen hat. Sie haben mit ihrer Entscheidung das Scheinwerferlicht auf diese Arbeit gerichtet. Das ist wichtig, denn was uns jeden Tag die Kraft zum Arbeiten gibt, ist das Gesehen-Werden, der Erfolg beim Publikum.

Wir bedanken uns auch bei unseren vielen nationalen und internationalen Partnerinnen und Partnern, die die große Breitenwirkung und Nachhaltigkeit dieses Projekts ermöglicht haben. Sie haben sich diejenigen Aspekte dieses vielschichtigen und kulturell diversen Kunstwerkes herausgepickt, die ihnen auf den Nägeln brennen und sie an ihr Zielpublikum weitervermittelt. Hier sind vor allem zu nennen das Adam Mickiewicz Institut des Polnischen Kulturministeriums Warschau, die Opéra National de Lorraine Nancy, Deutschlandfunk Kultur, MDR Kultur, cpo, das Aleksander-Brückner-Zentrum für Polenstudien an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, das Institut für Musikwissenschaft der Universität Leipzig, das Stadtmuseum Halle, die Leitung des Kulturellen Themenjahres Halle 2022 »Macht der Emotionen«, die Bildungswochen gegen Rassismus und viele andere.      

 

Zur Inszenierung
Jan Ignacy Paderewskis »Manru« hatte am 19. März 2022 an der Oper Halle Premiere. Zu den Anwesenden zählten Herr Kulturminister Rainer Robra, Frau Stadtbeigeordnete Dr. Judith Marquardt, offizielle Gäste aus Polen und Frankreich sowie – auf Einladung der Oper Halle –Flüchtlinge aus der Ukraine, von deren heutigem Territorium der Librettist stammt. Die Produktion wurde von Deutschlandfunk Kultur und MDR Kultur live übertragen und wird im Mai 2023 an der Opéra National de Lorraine, Nancy, neu einstudiert. Sie ist die erste Produktion des auf Deutsch komponierten Werkes in der Originalsprache seit 1903.

Musikalische Leitung: Michael Wendeberg | Regie: Katharina Kastening | Bühne & Kostüme: Gideon Davey | Chorleitung: Johannes Köhler | Dramaturgie: Boris Kehrmann

Mit: Thomas Mohr (Manru) | Ks. Romelia Lichtenstein (Ulana, seine Frau) | Gabriella Guilfoil (Hedwig, ihre Mutter) | Levent Bakirci (Urok, ihr Vertrauter) | Franziska Krötenheerdt (Manrus Geliebte Asa) | Ki-Hyun Park (Roma-Führer Oros) | Michael Zehe (Jagu) | Theodor Toschev (Primasgeiger) | Chor, Extrachor und Kinderchor der Oper Halle | Staatskapelle Halle

Szene aus »Manru«