Gespräch mit Dirigent Georg Fritzsch zum 4. Sinfoniekonzert der Staatskapelle

Vielleicht könnten Sie sich zu Beginn unseren Lesern kurz vorstellen?

Fritzsch: Mein Name ist Georg Fritzsch. Ich bin Generalmusikdirektor der Partnerstadt von Halle, Karlsruhe. Ich selber stammen hier aus der Gegend, im weiteren Sinne, nämlich aus Sachsen. Ich bin in Meißen geboren. Mein Vater war da Kantor. Ich habe in Dresden das Cello studiert und habe dann weiter in Dresden und Leipzig Dirigieren studiert. Dann bin ich über die Stationen Südwestfalen, Kiel, Innsbruck nach Karlsruhe gekommen und freue mich, jetzt wieder hier bei der Staatskapelle zu sein. Hier bin ich das letzte Mal, glaube ich, im Jahr 2007 gewesen. Und mit der damaligen Philharmonie, der jetzigen Staatskapelle, verbindet mich eigentlich schon eine Partnerschaft seit dem Jahr 1991. Also insofern ist das ein sehr schönes Wiedersehen.

Was erwartet das Publikum denn programmatisch beim 4. Sinfoniekonzert?

Fritzsch: Wir machen einen kleinen Brückenschlag. Wir beginnen mit Max Reger, der ja hier in Mitteldeutschland gewirkt hat und der in diesem Jahr sein 150. Geburtstag feiert. Eines seiner populärsten Werke wurde für die Meininger Hofkapelle geschrieben. Das sind die Mozart-Variationen, ein Stück, das im Prinzip einen großen Endpunkt markiert, nämlich den Endpunkt von Tonalität und Kontrapunkt. Geschrieben 1915, markiert dieser Endpunkt von Tonalität und Kontrapunkt auf die eine Weise und auf die andere Weise auch den Endpunkt der Form der Fuge. Diese Doppel Fuge mit dem Thema der Mozart-Variationen, diesem wunderbaren 6/8 Thema, das Mozart in der Klaviersonate A-Dur geschrieben hat, ist ein Kompendium an Form, an Harmonik. Leider ist sie ein bisschen in Vergessenheit geraten wie der Komponist Reger auch. Zum Reger-Jahr habe ich mir deshalb vorgenommen, da besonders aktiv zu sein.

Dann spielen wir das unbekanntere Violinkonzert von Max Bruch und Arkadi Marasch, der Konzertmeister der Staatskapelle, wird es spielen. Er hat es auch vorgeschlagen. Ich bin sehr glücklich über diese Ausgrabung. Es wird sehr selten gespielt und ich habe es selber nie dirigiert. So ist es noch ein Stück, das man neu kennenlernen kann.

Zum Schluss spielen wir von Richard Strauss »Till Eulenspiegels lustige Streiche«, ein Stück, das ich auch sehr mit meiner Jugend verbinde. Ich bin ja in Meißen und Dresden groß geworden, im Schatten der Dresdner Staatskapelle. Dresden und Richard Strauss haben ja eine sehr intensive Verbindung. Ich habe diese Musik auch selbst in Dresden mit der Staatskapelle musizieren dürfen als junger Cellist. Also sowohl Reger als auch Strauss sind quasi meine Muttermilch, das ist ein bisschen meine Heimat und diese Musik ist für mich sehr verbunden mit dieser Region.


Und wie laufen die Proben mit der Staatskapelle, wenn man fragen darf?

Fritzsch: Also erstmal ist es persönlich sehr schön, weil ich sehr viele Freunde, Studienkollegen und Kolleginnen wieder treffe. Das sind bekannte Gesichter. Aber natürlich sind wir alle ein bisschen älter geworden, ein bisschen reifer geworden. Wir wundern uns, wie schnell die Zeit vorbei ist. Und für mich ist es natürlich auch eine Zeitreise. Wenn ich überlege: Es sind 32 Jahre, seit ich das erste Mal in Halle dirigiert habe, als ganz junger Dirigent. Das ist nahezu unglaublich. Auch die Stadt zu sehen: wie sie sich entwickelt hat, was hier in der Stadt passiert, welche neuen Zentren es gibt. Die Händelhalle hat nicht existiert, als ich das letzte Mal hier dirigiert habe. So eine Zeitreisen macht natürlich ein bisschen nachdenklich und plötzlich merkt man, dass man eben doch schon fast 60 ist. Und je länger man im Beruf ist, umso wertvoller werden die menschlichen Begegnungen, umso wertvoller wird die Begegnung mit der Herzensmusik.

Diese Kombination, ja, die bringt mich in so ein Wellenbad von Emotion, das kann ich gar nicht im Detail wiedergeben. Heute haben wir uns schon sehr intensiv mit Strauss und Reger beschäftigt. Morgen werden wir uns dann auch mit Bruch beschäftigen. Ja, es ist ein Wiedersehen in vielfacher Hinsicht und es ist ein sehr angenehmes Wiedersehen.

Und mit welchem Gefühl sollen die Menschen nach Hause gehen, wenn Sie das Konzert am Sonntag oder Montag gehört haben?

Fritzsch: Der erste Teil mit den Mozart-Variationen ist eine Konfrontation, eine Wanderschaft in eine schon fast verloren gegangene Musikwelt. Sich auf diesen Komponisten einzulassen, der aus der Tradition von Johann Sebastian Bach kommend diesen Endpunkt markiert, diesen Weg durch diese Mozart-Variationen zu machen, diese Welt der späten, romantischen, höchst kunstvollen Harmonik zu machen… Dass man diesen Weg beschreitet, das zu teilen ist für mich ein Bedürfnis. Und dann natürlich »Till Eulenspiegels lustige Streiche«, dieses Funkelnde, dieses Farbige, dieses Glitzernde, dieses ganz Hochwitzige: Das zu teilen und die Leute mit einem Schmunzeln zu entlassen, die Menschen mitzunehmen und die Gesichter lachend zu machen, das wünsche ich mir für dieses Konzert.

Vielen Dank für Ihre Zeit und für dieses Gespräch.

Georg Fritzsch studierte Violoncello an der Hochschule für Musik in Dresden. Es folgte ein Engagement als Solocellist beim Philharmonischen Orchester Gera und parallel ein Dirigierstudium in Dresden und Leipzig. Fritzsch war 1991 Preisträger des Deutschen Dirigentenforums in Halle, 1993 Stipendiat der Herbert-von-Karajan-Stiftung. Von 1998 bis 2003 war er Generalmusikdirektor des Philharmonischen Orchesters Südwestfalen und des Theaters Hagen, 2003-2019 Generalmusikdirektor in Kiel, 2009-2011 dazu Chefdirigent des Tiroler Landestheaters und Symphonieorchesters Innsbruck. Seit der Spielzeit 2020/21 ist Georg Fritzsch Generalmusikdirektor der Badischen Staatskapelle und des Badischen Staatstheaters Karlsruhe.