Szene aus »Der goldene Drache«

Regisseurin Katharina Kastening zu »Der goldene Drache«

Vielleicht könntest du am Anfang einmal sagen, wer du bist und was du hier machst.

Kastening: Ich bin Katharina Kastening, ich bin die Regisseurin von »Der goldene Drache« hier an der Oper Halle. »Der goldene Drache« ist eine Kammeroper, geschrieben von Peter Eötvös, basiert auf dem Theaterstück von Roland Schimmelpfennig. 

Worum geht es denn in »Der goldene Drache«? 

Kastening: Mal kurz und knapp gesagt, handelt »Der goldene Drache« von zwei Geschwistern, die jeweils alleine und undokumentiert nach Deutschland einwandern. Sie fliehen aus China nach Deutschland, um dort ein besseres Leben für sich und ihre Familie zu beginnen. Die Schwester ist vorausgegangen und nachdem die Familie längere Zeit nichts von ihr gehört hat, wird der Bruder hinterhergeschickt, um die Schwester zu finden. Da sie beide undokumentiert sind, erleben wir wie sie zum Teil ausgebeutet werden und auch wie dieses Undokumentiertsein ihre Lebensqualität beeinflusst.

Warum ist dieser Stoff gerade heute relevant?

Kastening: »Der goldene Drache« handelt von den Konsequenzen des Kapitalismus, der Globalisierung und auch von dem Zyklus der Ausbeutung des undokumentierten Einwanderers. Einwandern, um ein besseres Leben zu finden oder aus seinem eigenen zu Hause zu fliehen, weil es da zu gefährlich ist: Das ist leider immer ein Thema, vor allem jetzt wieder. Mit unserem Konzept und der Inszenierung möchten wir einen scharfen Blick auf unser eigenes Verhalten gegenüber den Undokumentierten oder gegenüber den Minderheiten in unserer Gesellschaft richten. Wir wollen keine Art Parabel darstellen aber Aufmerksamkeit auf diese Situation bringen. Damit man bestenfalls sein eigenes Verhalten anpasst oder gemeinsam mit anderen gegen Ungerechtigkeiten arbeitet. Natürlich kann man nicht jedem helfen, kann nicht alles beeinflussen, aber dass überhaupt über das Thema gesprochen wird ist schon mal wichtig. 

Was erwartet denn den Zuschauer oder die Zuschauerin musikalisch in »Der goldene Drache«? 

Kastening: Der Komponist Peter Eötvös hat als Jugendlicher an der Franz-Liszt-Musikakademie studiert und er hat sehr viel im Theater gearbeitet. Er hat auch sehr viel Filmmusik geschrieben. Dieses Cineastische kann man auf jeden Fall in seiner Musik wiedererkennen. Es ist eine moderne Musik, auch eine ungewöhnliche Musik, in der die musikalische Sprache fast wie gesprochene Sprache ist. Eötvös schafft es, körperliche Situationen oder generelle Situationen musikalisch so darzustellen wie sie sich vielleicht anhören würden. Zum Beispiel komponiert er wie sich Zahnschmerzen anhören würden. Das heißt, es singt nicht jemand “Ich habe Zahnschmerzen!” und es hört sich schön an. Es hört sich wirklich an als wenn jemand sagen würde “Ich habe Zahnschmerzen!”. Auch das Orchester hat oft solche Spiegelungen in der Musik. Statt super lyrische, schöne Sachen zu spielen, werden die Situation musikalisch so dargestellt wie sie realistisch existieren würden. 

Und was wird denn auf der Bühne zu sehen sein?

Kastening: Der im Stück oft genannte goldene Drache wird bei uns nie wirklich als Drache dargestellt. Das Bühnenbild besteht hauptsächlich aus einem großen rot-goldenen Fließband. Dieser Hauptteil des Bühnenbildes soll den Druck der Globalisierung darstellen, also den Massenkonsum, Massenproduktion und auch die unendliche Gier des Menschen. d Das Fließband ist so geschwungen, dass es einen Drachen ungefähr andeute. Außerdem ist es quasi der Lebensweg des Bruders in dieser Geschichte. Der Bruder ist auch der einzige, der im Stück jemals das ganze Fließband abgeht. Es gibt im Bühnenbild auch ein gespiegeltes Portal, einen Rahmen um das ganze Bühnenbild. Es besteht aus ganz vielen kleinen Spiegeln, in denen man das Fließband nochmal sieht, aber natürlich total verzerrt. Für uns ist eigentlich dieses gespiegelte Bild des Fließbandes der goldene Drache. Ein goldener Drache steht für Glück und Wohlstand. Das gespiegelte Element im Bühnenbild soll dieses Leben, das was hätte sein können und was unerreichbar ist, darstellen. Es ist der starke Kontrast zum Leben des Bruders.

Was interessiert dich persönlich denn besonders an »Der goldene Drache«? Was war dir besonders wichtig?

Kastening: Was mich besonders interessiert an dem Stück und an dem Werk ist eine Idee, die immer wieder aufgekommen ist, als wir dieses Konzept erarbeitet haben. Es ist die Idee des aktiven und absichtlichen Wegschauens. Jeder Mensch tut es bis zu einem gewissen Grad, muss es manchmal geradezu. Um selbst normal weiterzuleben muss er die Leben der Anderen aus seinem Gedächtnis wegdrängen. Wenn man beispielsweise die Lebenskonditionen und Geschichten jener, die unsere Kleidung oder unsere Handys herstellen, kennen würden, könnten wir diese Sachen nicht benutzen. Das Schuldgefühl wäre viel zu groß und dessen sind wir uns eigentlich alle bewusst. Aber wir leben trotzdem in dieser Welt und nutzen diese Dinge. Im Stück wird die Globalisierung kritisiert, aber auch unsere Art des Konsums. Mir war es wichtig, zum Nachdenken aufzufordern: Warum ist das so? In welchen Teilen unseres Lebens drängen wir diese Sachen weg? Was für eine Auswirkung hat unsere Art des Konsums auf das Leben der anderen? 

Katharina, vielen Dank für das Gespräch und schonmal »Toi, toi, toi!« für die Premiere am 21. Januar in der Oper. 

Kastening: Dankeschön. 

Szene aus »Der goldene Drache«